COMING HOME
Eine kurze Einlassung
Sehr geehrte Damen und Herren, meine lieben Freundinnen und Freunde,
Ich spreche heute, am 2. November 2024 anlässlich der Ausstellungseröffnung meiner Multiplayer Installation „Coming home“ in Duisburg Ruhrort über die Rolle der Kunst im innenpolitischen Spannungsfeld, das aktuell durch Bedrohungen der inneren Sicherheit geprägt ist: wiedererstarkender NS-Nationalsozialismus, Antisemitismus und Nationalismus, die stets mit Feindseligkeit und Gewalt gegenüber Gleichberechtigung, Emanzipation und Individualität einhergehen. Wir haben in Duisburg nach Polizei Angaben 70 Clans mit circa 2800 Mitgliedern in Hochfeld Ruhrort, Laar, Beek, Hamborn Marxloh als auch in Walsum.
Weiterlesen: Beitrag 1460 ohne TitelGleichzeitig bedrohen Kriegshandlungen weltweit unsere äußere Sicherheit und haben, besonders nach der Corona-Krise, auch in Duisburg spürbare Auswirkungen. Damals erlebten wir leere Supermarktregale, Ausgangssperren, Verunsicherung und sogar Todesfälle – Bedingungen, die Erinnerungen an Kriegszeiten wachrufen. Es herrschte Angst um das eigene Leben, das Leben unserer Familien, Freunde und Angehörigen, ohne Gewissheit, wie lange diese Situation andauern würde und was geschähe, wenn man sich ansteckte. Heute verbreitet sich auf ähnliche Weise ein anderes gefährliches „Virus“: Antisemitismus, völkisch-identitäres Denken, Rassismus und ein wiedererstarkender Nationalsozialismus.
Was passiert, wenn meine Freunde und Bekannten sich von diesen Ideologien „anstecken“? Stehe ich dann mit meinem humanistisch-demokratischen Anspruch nach Auschwitz allein? Drohen auch mir Verfolgung, Folter oder Inhaftierung? Nach Auschwitz, der Todesstiege von Mauthausen, den NSU-Morden, dem Massaker in Christchurch, den Anschlägen von Anders Behring Breivik, dem Mord an Walter Lübcke , dem Attentat von Halle müssen wir uns immer wieder erlauben, das Unvorstellbare zu denken.
Hier liegt die Aufgabe der Kunst: unbekannte Erlebniswelten zu schaffen und die Menschen durch ihre Mittel vom Fühlen zum Denken und vom Denken zum Fühlen zu führen. Während Diktaturen – wie in Nordkorea oder in der von der SED geführten DDR, wo Folter und Hinrichtungen bis 1970 an der Tagesordnung waren – Kunst oft zur Kontrolle einsetzen, können wir sie dafür nutzen, humanistisch-demokratische Werte, Geschichtsbewusstsein, Anteil am Schicksal des Nächsten, Pazifismus und Inklusion zu fördern und eine Friedensutopie in die Gesellschaft zu tragen. Dabei müssen wir uns jedoch stets bewusst sein, dass dies eine Utopie bleibt, da Frieden und Demokratie nie ohne Bedrohung existieren – sei es im persönlichen, privaten Bereich oder auf nationaler und internationaler Ebene. Frieden erfordert ständige Diplomatie, die eigenen Interessen und die der anderen stets abwägend im Blick zu haben.
Ganz im Gegensatz dazu steht die Kunst: Sie darf laut sein oder leise, provokant oder hochprovokant, ja sogar wahnsinnig wirken – Hauptsache, sie wirkt. Dass Kunst immer eine Wirkung hat, zeigt sich daran, dass politische und undemokratische Unrechtsregime Künstlerinnen, Künstler und Andersdenkende ausgrenzen, drangsalieren, foltern oder gar töten. Beispiele dafür sind Käthe Kollwitz, Felix Nussbaum, der Schießbefehl an der Mauer, Ai Weiwei, Pussy Riot, Mahsa Amini, Alexei Nawalny – oder junge hübsche persische Rapper, die stellvertretend für ihre Generation von der unbändigen Sehnsucht nach Liebe und Freiheit singen und dafür zum Tode verurteilt wurden.
Ein Unterdrücken, Morden und Schlachten auf der Welt, das uns an Kain und Abel erinnert – seit Anbeginn der Menschheit gehören Täuschung, Lüge, Verrat und Mord zur menschlichen Existenz. Aber mit dem Auszug aus Ägypten lebt eben auch die Sehnsucht nach Hoffnung, Frieden und Erlösung.
Kunst bietet immer kreative Lösungen und ist ein Problemlöser. Selbst der Innenminister des Landes NRW spricht am Reformationstag 2024, also vorgestern im WDR-Studio darüber, dass wir zur Bekämpfung von Clankriminalität kreative Lösungen brauchen. Die unkreativen Zeiten von 08/15 sind endgültig vorbei, wenn wir geschichtsbewusst und gemeinsam in einem demokratisch-künstlerischen Dialog um zukunftsfähige Lösungen streiten und ringen wollen.
Unser Ziel ist es, die wertvolle Demokratie der freiheitlich-demokratischen Bundesrepublik Deutschland zu bewahren und zukunftsfähig zu gestalten – eine Demokratie, in der die Würde des Menschen unantastbar ist und vom Grundgesetz geschützt wird, gerade nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von 1933 bis 1945 und dem Unrechtsregime der SED-geführten DDR von 1949 bis 1990.
Ruth Bamberg, 2. November 2024